Partizipationsgesetz in Berlin – ein historischer Schritt

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Die Berliner Senatsverwaltung plant in der Novelle des Partizipationsgesetzes ein visionäres Vorhaben: die Einführung von Quoten für Migrant*innen im öffentlichen Dienst. Der Polnische Sozialrat e.V. begrüßt dieses Vorhaben ausdrücklich.

Wir brauchen bundesweit ein Partizipationsgesetz mit messbaren Quoten!

Die Berliner Senatsverwaltung für Integration plant eine Quote im öffentlichen Dienst für Menschen mit Migrationsgeschichte. Die Bundeskonferenz der Migrant:innenorganisationen begrüßt diesen Vorstoß.

Pressemitteilung der Bundeskonferenz der Migrant:innenorganisationen (BKMO)

Berlin hat 2010 als erstes Bundesland ein „Partizipations- und Integrationsgesetz“ (PartIntG) verabschiedet, um sicherzustellen, dass Migrant:innen und ihre Nachkommen gleichberechtigt in allen Bereichen teilhaben können. Eine Evaluierung des Gesetzes zeigt aber: Die Regelungen reichen nicht aus, das Gesetz wirkt nur symbolisch, da „adäquate Umsetzungsinstrumente“ fehlen[1]. Menschen aus Einwandererfamilien sind auch in Berlin noch weit entfernt von gleichberechtigter Teilhabe. Die Rot-Rot-Grüne Koalition in Berlin hatte zu Beginn ihrer Amtszeit im Koalitionsvertrag festgehalten, dass sie das PartIntG weiterentwickeln will. In dieser Novelle will die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales nun eine Quote für Menschen mit Migrationsgeschichte über 35 Prozent festschreiben, gemäß ihrem Anteil in der Stadtgesellschaft. Die BKMO, ein Zusammenschluss von über 50 (post)migrantischen Organisationen aus ganz Deutschland, begrüßt diesen Vorstoß.

„Demokratie ist auch eine Frage der Repräsentanz und der gesellschaftlichen Teilhabe. In der Novelle dieses Gesetzes geht es um nicht mehr und nicht weniger. Es geht darum, den tatsächlichen Anteil an Menschen mit Migrationsgeschichte endlich auch in Positionen des öffentlichen Dienstes widerzuspiegeln“, meint Karen Taylor, Mitglied des Vertreter*innenrats der BKMO.

In einem von der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales in Auftrag gegebenen rechtswissenschaftlichen Gutachten wurde festgehalten, dass Maßnahmen zur Behebung einer bestehenden Unterrepräsentation so lange zulässig seien, bis das Ziel der tatsächlichen Repräsentanz erfüllt ist[2]. Das unterstützt die BKMO. Dabei geht es nicht darum, andere Menschen zu benachteiligen, sondern für faire Partizipationsmöglichkeiten für alle zu sorgen.

„Bei solchen Gesetzen ist der erste und lauteste Vorwurf immer der, dass dann die qualifizierten Kandidat:innen benachteiligt und wenig qualifizierte oder unqualifizierte Menschen die Posten besetzen würden. Das ist einfach falsch. Es ist nicht so, als ob es keine qualifizierten Bewerber:innen und Kandidat:innen mit Migrationshintergrund für Stellen im öffentlichen Dienst gäbe. Sie stoßen in diesen Fällen aber auf die berüchtigte gläserne Decke: die institutionelle Chancenungleichheit und Benachteiligung“, betont Ehsan Djafari, ebenfalls Mitglied des Vertreter*innenrats der BKMO.

2020 hat die BKMO und ihr Expert:innengremium eine Antirassismus-Agenda 2025 vorgelegt und dem Kabinettsausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus Vorschläge für einen nötigen Paradigmenwechsel gemacht. Darin fordern sie ein bundesweites Partizipationsgesetz, das eine Gleichstellung durch Quoten im öffentlichen Dienst vorsieht. Die Quote soll für Menschen mit Migrationsgeschichte gelten, die von Rassismus betroffen sind, und gemäß ihrem Anteil in der Gesellschaft sein – so wie die Berliner Integrationssenatorin Elke Breitenbach es nun vorsieht. Sie kommt damit einer Forderung nach, die Organisationen von Migrant:innen, Geflüchteten, Sinti:zze und Rom:nja, Schwarzen Menschen, Menschen mit afrikanischen Vorfahren und People of Color seit Jahren stellen.

Eine Untersuchung von 2018 über Führungskräfte in Berliner Einrichtungen zeigt, wie notwendig messbare, konkrete Maßnahmen sind: nur drei Prozent der Befragten in den Führungsetagen der Berliner Verwaltung sind People of Color oder Schwarze Menschen. 97 Prozent der Befragten sind weiß[3]. Menschen, die nicht „typisch deutsch“ aussehen oder typisch deutsche Namen haben, fehlen aber nicht nur in den obersten Chefetagen, sondern auch in den Ebenen darunter. Das muss sich ändern. Softe Maßnahmen waren bislang nur Teil einer Symbolpolitik. Neue Maßnahmen müssen konkret sein und ordnungsgemäß durchgeführt werden, damit sie die Ziele erreichen, für die sie angedacht sind.

Der Polnische Sozialrat e.V. ist Mitglied der Bundeskonferenz der Migrantenorganisationen.

Photoquelle: https://www.berlin.de/lb/intmig/

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[1] https://www.berlin.de/sen/ias/presse/pressemitteilungen/2019/pressemitteilung.797317.php

[2] https://www.berlin.de/lb/intmig/_assets/themen/partizipation/rechtsgutachten-partintg_dl.pdf

[3] https://vielfaltentscheidet.de/97-weiss-vielfalt-in-der-berliner-vewaltung/